Goldman Sachs geht neue Wege

Das Image war Jahrzehnte lang klar: Goldman Sachs bedient die Wohlhabenden und die gewinnbringenden Unternehmen. Die renommierte und alt eingesessene Bank pflegte traditionell einen tiefen Graben zwischen sich und dem Mann auf der Straße.

Doch dann kam das Jahr 2008. Die Hypothekenkrise entwickelte sich zu einer allgemeinen Krise in der Finanzwelt. Die Investmentbank Lehmann wurde insolvent. Die Kurse gingen ins Uferlose nach unten. Investmentbanker mussten sich in einem Atemzug mit dem Begriff Corporate Raider nennen lassen – den „Heuschrecken“ im deutschen Sprachgebrauch.

Goldman Sachs büßte in dieser Zeit einen großen Teil seines guten Rufs ein. Die Bank geriet in eine anhaltende Kritik. Sie soll z. B. am Ankauf von Ramschkrediten maßgeblich beteiligt gewesen sein. Jedenfalls wurde sie plötzlich recht massiv mit Macht- und Geldgier in Verbindung gebracht. Hier setzte bei der traditionsbewussten Bank ein Umdenken ein. Sie steigerte das Volumen ihrer Kreditvergabe.
Umdenken bei der traditionsbewussten Bank

Jetzt geht sie noch einen Schritt weiter und öffnet sie sich einer ganz neuen Welt: der Welt der Normalbürger. Denen will sie zu Krediten verhelfen, die ihnen den Alltag erleichtern. Autokauf, Wohnungseinrichtung, Hausrenovierung – was das amerikanische Herz begehrt, soll erfüllt werden, und zwar mit einer Kreditsumme bis 15.000 Dollar.

Goldman Sachs plant nach einem Bericht der New York Times den Einstieg ins moderne Kreditgeschäft. Der durchschnittliche Konsument soll seinen Kredit ganz ohne persönliches Erscheinen erhalten, nämlich per Online-Klick. Schon dieser Schritt ist für eine konservative Unternehmung enorm, bei der Privatkunden üblicherweise Dollars in zweistelliger Millionenzahl hinzublättern hatten. Der Bürger soll jetzt eine Bank kennenlernen, die die gesunde Wirtschaftskraft des Normalbürgers stärkt. Assoziationen zu Spekulationen sollen verdrängt werden.

Es wird noch moderner. Glaubt man den News der New Yorker Nachrichten, so steht eine App ins Haus, mit der der 15.000-Dollar-Kredit heruntergeladen werden kann. Ideal dafür wäre z. B. eine Prepaid Card.
Was verspricht sich die Bank von diesem Schritt?

Neben der Runderneuerung des Images gibt es ökonomische Vorteile, die nicht von der Hand zu weisen sind. Die üblichen Banken punkten mit der Kreditvergabe von weit über 800 Milliarden Dollar an Konsumenten, die nicht aus der Oberschicht stammen. Gleichzeitig wächst der Markt in der virtuellen Welt, auf dem Kredite vergeben werden. Es ist zu vermuten, dass Goldman Sachs einfach den Anschluss nicht verpassen will. Auch wenn die Kreditvergabe in Online-Form noch nicht zur allgemeinen Massenanwendung geworden ist, sondern sich eher in Zurückhaltung übt, ist die Entwicklung nicht mehr zu übersehen. Die Zukunft des Handels in der virtuellen Welt ist nicht aufzuhalten, und der Kredithandel wird sich dem anschließen.

Noch redet man hinter vorgehaltener Hand. Goldman Sachs selbst äußert sich noch nicht zu den Plänen. Doch es macht bereits das Insiderwissen die Runde, dass alle Vorbereitungen für den neuen Eingriff in das Kreditmarktgeschehen getroffen sind. Die Bank kann wahrscheinlich 2016 mit ihrem neuen Zweig starten. Ob sie das allerdings unter ihrem geschichtsträchtigen Namen tun wird, ist noch unklar. Gibt es auch Risikofaktoren? Das könnte schon sein, wenn man bedenkt, dass Goldman Sachs mit normalen Menschen so gar keine Erfahrung hat…